Behandlung des chronischen Erschöpfungssyndroms (chronic fatigue syndrome, CFS)

Therapieempfehlungen
mit zell-stimulierenden Substanzen

von
Dr. med. Georgi Stankov, Copyright 1996, DIAS Institute, München

 

Einführung

Allgemeine Erschöpfung ist das häufigste Symptom und wird in Zusammenhang mit vielen Krankheiten beobachtet. Etwa 25 bis 50% der Patienten einer allgemeinen Arztpraxis klagen zu irgendeinem Zeitpunkt über Erschöpfungszustände. Erst in den 80er Jahren wurde diesem Symptom die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt. Die amerikanischen Bundesbehörden NIH (National Institute of Health) und CDC (Centers of Disease Control) entwickelten daraufhin eine verbindliche Definition dieses Krankheitszustandes, die allgemein anerkannt wurde. Wir werden diese Definiton, die in Deutschalnd nicht sehr bekannt ist, erläutern und die wesentlichen klinischen Erkenntnisse aus den letzten Jahren vorstellen. Danach werden wir neue Therapiestrategien dieser häufigen Krankheit besprechen.

 

 Definition

Das chronische Erschöpfungssyndrom (chronic fatigue syndrome, CFS) ist eine selbständige Krankheit, deren Symptome sich mit denjenigen vieler anderer Krankheiten überlappen.

Nach der CDC’s Definition muß ein Patient zwei Hauptsymptome bzw. Kriterien und 8 der 11 sekundären Symptome oder 2 objektive und 6 sekundäre Symptome erfüllen, um an CFS zu leiden. Das erste Hauptsymptom ist das Auftreten einer schweren körperlichen Erschöpfung für die Dauer von 6 Monaten. Das zweite Hauptkriterium ist die Abwesenheit einer nachweisbaren medizinischen oder psychiatrischen Ätiologie der Erschöpfung. Als sekundäre Kriterien der CFS gelten die Symptome: regelmäßige Kopfschmerzen, Myalgie (Fibromyalgie), Arthralgie, Fieber, Halsschmerzen, schmerzhafte Lymphknoten, Muskelschwäche, nachhaltige Erschöpfung nach körperlicher Belastung, neuropsychologische Symptome, Schlafstörungen, und ein plötzliches Auftreten des CFS. Objektive Kriterien sind: subfebrile Zustände, nicht-exsudative Pharyngitis, und tastbare oder empfindliche zervikale oder axillare Lymphknoten.

 

Geschichte und Aetiologie des CFS

Der Ursprung unserer Erkenntnisse über die Existenz des CFS als eine selbständige Erkrankung geht auf die große Influenza-Epidemie von 1957 in den USA zurück. Patienten, die sich langsamer von der Influenza-Erkrankung erholten als die durchschnittlichen Influenza-Kranken, zeigten eine ausgeprägte psychopatholo­gische Prädisposition. Später fand man an NIH, daß es eine Korrelation zwischen dem Symptomenkomplex aus persistierender Erschöpfung, Muskelschmerzen, allgemeinen Schmerzen und Influenza-Symptomatik auf der einen Seite und erhöhten Epstein-Barr-Virus-Antikörpertitern auf der anderen Seite gab. Andere Viren wurden ebenfalls in Verbindung mit dem Auftreten eines CFS gebracht (z. B. Herpes Virus-6). Spätere Studien zeigten jedoch, daß die häufig zu beobachtenden erhöhten Antikörpertiter gegen verschiedene Viren nicht die alleinige Ursache des CFS sein können, sondern eher eine Begleiterscheinung. Erst zu diesem Zeitpunkt begann man das CFS in den Fachkreisen kontrovers und mit der gebührenden Ernsthaftigkeit zu diskutieren. Maßgeblich dafür war die Erkenntnis, daß etwa 45% der Patienten mit CFS regelmäßig bettlägrig und arbeitsunfähig sind, so daß diese Krankheit ernstzunehmen ist.

Hinzu kamen immer deutlichere Hinweise, daß das CFS mit einer herabgesetzten Immunfunktion einhergeht. Obwohl diese Ergebnisse noch sehr vorläufig sind, zeigen sie eindeutig, daß viele spezifischen Funktionen des Immunsystems während eines CFS beeinträchtigt sind. Insbesondere trifft dies auf die natural killer cell Aktivität (NK-cell-Aktivität, T-Zellen) zu. Die proliferative Antwort der Lymphozyten, die man aus CFS-Patienten gewonnen hat, ist in der Anwesenheit von Mitogenen deutlich herabgesetzt. Viele Patienten mit CFS haben eine Atopie und reagieren nicht auf Hauttests. Bemerkenswerterweise, erlangen sie ihre positive Hypersensibilität vom verzögerten Typ nach einer Therapie mit Immmunoglobulinen (physiologische zell-stimulierende Immunfaktoren im Sinne des bioenergetischen Prinzips). Bei Patienten mit CFS sind die Konzentrationen von gamma-Interferon, Interleukin-2 und Interleukin-6 signifikant herabgesetzt. Diese Ergebnisse deuten auf eine globale Herabsetzung der Immunabwehr während eines CFS.

Chronische Erschöpfungszustände treten regelmäßig auch bei anderen Krankheiten wie bei multipler Sklerose, systemischem Lupus Erythematosus, Borreliose usw auf. Alle diese Erkrankungen haben entweder eine Immunopathogenese oder verändern den Immunstatus sekundär.

Entscheidend für das CFS sind die psychiatrischen Aspekte. CFS geht regelmäßig mit depressiven Verstimmungen einher (bei etwa 45% der Patienten). Andere häufige psychiatrische Symptome sind: Phobie, Somatisierung und Dysthymie. Da virale Infekte ebenfalls von einem mentalen Erschöpfungszustand begleitet werden, ist der Zusammenhang zwischen einer Viruserkrankung und CFS nicht von der Hand zu weisen. Eine Voraussetzung für das Auftreten des CFSs ist allerdings eine ineffiziente Immunantwort als Ergebnis einer herabgesetzten Immunfunktion. In diesem Zusammenhang ist es müßig, zwischen Ursache und Wirkung zu unterscheiden. Die “Allgemeine Theorie der biologischen Regulation”, die auf dem bioenergetischen Prinzip aufbaut, zeigt schlüssig, daß der wissenschaftliche Gedanke an einer Kausalität grundsätzlich falsch ist. Insbesondere sind im Organismus die Wechselwirkungen zwischen den Systemen derart komplex, daß es sinnlos ist, einzelne Wechselwirkungen kausal zu interpretieren. Auch wenn die Medizin diese fruchtlosen Versuche beharrlich fortsetzt, bringen sie keine neuen Erkenntnisse für Theorie (Ätiologie) und Praxis (Therapie).

Gerade bei der Erfassung und der Definition des CFSs kommt dieser Umstand besonders deutlich hervor. Die verlangsamte Genese nach einer Viruserkrankung, die zum CFS führen kann, ist zwar durch eine a priori herabgesetzte Immunabwehr bedingt. Gleichzeitig verschlechtert der protrahierte Verlauf der Viruserkrankung den Immunstatus zusätzlich. Die mentale Depression, die beim CFS auftreten kann, ist ein Ergebnis der Viruserkrankung, führt aber zugleich zu einer Beeinträchtigung des Immunsystems. Umgekehrt, führt eine herabgesetzte Immunabwehr zu psychovegativen Verstimmungen (Alle Interleukine, tumor necrosing factor und anderen Immunfaktoren stimulieren das ZNS, z.B. das Temperaturzentrum im Hypothalamus; Adam D und Stankov G, Treatment of fever in childhood, Eur J Pediatr. 153, 1994, 394-402). Ein intaktes Immunsystem ist unabdingbar für das Funktionieren des ZNS. Immundefekte führen regelmäßig zu neurologischen Erkrankungen (multiple Sklerose, Morbus Alzheimer, usw., siehe entsprechende Merkblätter von Dr. Stankov, DIAS Institute).

Hier erkennen wir erneut die Einheit unseres Körpers in den Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Systemen. Da die elektrische Potentiale der Körperzellen, die gemeinsame Effektorebene sowohl des Neuroendokriniums als auch des Immunsystems bilden, führt jede Modifikation in einem System zu gleichsinnigen Veränderungen in den anderen Systemen. Eine psychische Depression wird in der Regel durch ein funktionelles Übergewicht an repolarisierenden Neurotransmitter ausgelöst. Repolarisierende Neurotransmitter des ZNS, wie z. B. GABA, führen zu einer Inhibition der Erregungsleitung an postsynaptischen Neuronen durch eine Erhöhung des Membranpotentials (Erhöhung des Schwellenwertes der Erregung). Deswegen ist es kein Zufall, daß die meisten Antidepressiva zell-stimulierende Substanzen sind, auch wenn sie zuerst empirisch entwickelt wurden, und erst jetzt im Sinne des bioenergetischen Prinzips richtig gedeutet werden können. Wir werden sogleich zeigen, daß die psychologische Einstellung durchaus eine entscheidende Rolle bei der Entstehung des CFS spielt.

 

Konventionelle Therapie des CFS

Bis zur Entdeckung des bioenergetischen Prinzips und der Ableitung neuerer Therapieansätze gab es keine erfolgreiche medikamentöse Therapie des CFS. Andererseits hat man bisher gute Ergebnisse mit einer aufbauenden Psychotherapie vorweisen können. Die häufigsten medikamentösen Therapiemittel sind: Acyclovir, i.v. Immunoglobulin (zell-stimulierend allerdings mit sehr kurzer Wirkungsdauer), Folsäure-Cyanocobalamin usw. In klinischen Studien konnte gezeigt werden, daß keine dieser Therapien besser als Placebo ist. Andererseits konnte in mehreren Studien nachgewiesen werden, daß die Heilungsrate nach Placebo-Therapie außerordentlich hoch ist. Dies spricht eindeutig für die These, daß eine positive psychologische Beeinflussung (Placebo-Effekt) die psychovegative Verstimmung bzw. Depression verbessern kann. Dies führt wiederum zu einer Verbesserung der Immunfunktion. Positives Denken ist im Sinne des bioenergetischen Prinzips zell-stimulierend (energie-spendend).

Neuerdings wurde gezeigt, daß die Gabe von Magnesium (Mg2+) die Symptome des CFS signifikant verbessert (Cox et al. 1991, Lancet 337; 757-760). Dieses Ergebnis ist insofern bemerkenswert, als die große Magnesium-Studie (Euramic, 1993, Lancet, 342, S. 1379) den positiven Effekt dieses Metallions auch für andere Indikationen, wie die Herabsetzung des Risikos eines Myokardinfarkts, eindeutig belegt. Im Sinne des bioenergetischen Prinzips spielt Magnesium eine zentrale Rolle in der Regulation der Zelle. Die ATP-asen, die für die Repolarisation der Plasmamembrane verantwortlich sind, d.h. für den Aufbau der elektrischen Energie in den Zellen, die für die Zellregulation verwendet wird, funktionieren nur in der Anwesenheit von Magnesium. Andernfalls sind die ATP-asen nicht in der Lage, die Natrium- und Kaliumione gegen deren Gradienten zu pumpen. Also spielt Magnesium eine zentrale Rolle für die Energieumwandlung in den Zellen und ist somit zell-stimulierend. Seine positive Wirkung erkennt man nicht nur bei CFS und bei Herzkrankheiten, sondern auch bei vielen anderen Krankheitszuständen (z.B. Senkung des Krebsrisikos). Ähnliche breite Wirkung zeigen die zell-stimulierenden Medikamente Nystatin und Amphotericin B.

 

Therapieempfehlungen im Sinne des bioenergetischen Prinzips

Die rationale Begründung der neuen Therapieansätze wurde in der vorherigen Abhandlung weitgehend vorweggenommen. Wir werden hier die wichtigsten Aspekte noch einmal zusammenfassen.

CFS ist ein sehr häufiger Krankheitszustand, der mit einer herabgesetzten Immunabwehr, mentaler Depression und protrahierten Verlauf viraler Erkrankungen (Grippe) einhergeht. Die offizielle Definition des CDCs sollte daher nicht wörtlich, sondern lediglich als differential-diagnostischer Leitfaden verstanden werden. Es gibt viele Krankheitszustände, die zu einem CFS führen können.

Das Ziel einer Therapie des CFS kann nur die globale Zellstimulation der Körperzellen sein. An erster Stelle gilt es, die Immunzellen zu stimulieren. Nystatin und Amphotericin B sind die potentesten Immunstimulatoren auf dem Markt. Durch ihre vorteilhafte Verteilung im Körper (vorwiegend in der Leber, Milz und in anderen mesenchymalen und sekundären Lymphorganen), stärken sie an erster Stelle das Immunsystem (z.B. stimulieren die T-Zellen, NK-cell-Aktivität). Da sie aber zugleich alle Körperzellen stimulieren, wird die gesunde Homeostase des Organismus rasch wiederhergestellt.

Wir haben mehrere Patienten mit CFS mit 1 g Nystatin oral (4 Kapseln á 250 mg = 1.250.000 I.E; Gesamttagesdosis = 5.000.000 I.E.) behandelt und konnte die Krankheit nach 4 bis 6 Wochen heilen. Wir empfehlen daher die Gabe von 1 g Nystatin oral bei allen Erschöpfungszuständen, die von einer erhöhten Anfälligkeit für Grippe und andere virale und bakterielle Krankheiten begleitet werden. Die Therapiedauer richtet sich nach dem Zustand des Patienten. Mindestadauer: 3 Monate, gegebenfalls 6 Monate bis 1 Jahr. Beim erneuten Auftreten des CFS muß die Therapie wiederholt werden.

Obwohl das CFS von einer psychovegetativen Depression begleitet werden kann, sollte man zunächst Abstand von einer antidepressiven Therapie nehmen. Meistens bessert sich der psychische Zustand rasch nach einer Monotherapie mit Nystatin. Eine antidepressive Therapie ist grundsätzlich nicht unproblematisch und sollte nur den echten, endogenen Depressionen vorbehalten sein.

Zusätzlich zu Nystatin empfehlen wir die Gabe von Magnesium-Tabletten und hochdosierten Multivitaminen (vorzugsweise fettlöslichen Vitaminen). Die Vitamine, ausgenommen Vitamin C sind Radikalfänger und verbessern die Energieübertragung in die Zellen. Frisches Obst und Gemüse und abwechslungsreiches Essen sind von Vorteil. Eine spezifische Diät gibt es nicht.

Sehr wichtig ist die psychotherapeutische Behandlung der CFS-Patienten. Da die Krankheit chronisch ist, muß die Betreuung durch den Arzt und der Aufbau eines positiven Denkens bei den Patienten über längere Zeit fortgesetzt werden.

Zusätzlich sollte der Patient langsam mit Sport, roborierenden Maßnahmen und körperlicher Anstrengung beginnen. In der ersten Phase der medikamentösen Behandlung sollte jedoch eine Überanstrengung vermieden werden. Sie führt zu einer unerwünschten Erschöpfung des Immunsystems (Leistungssportler, die bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit trainieren, haben häufig eine herabgesetzte Immunabwehr. Mäßigkeit ist die Grundregel aller Therapie und leitet sich zwangslos aus dem bioenergetischen Prinzip ab.)  Erst wenn die gesunde Homeostase durch Nystatin wiederaufgebaut ist, sollte man mit einer mäßigen körperlichen Belastung (z. B. Wandern) beginnen.

 

Weiterführende Literatur zum CFS:

1. Krupp LB et al.

An overview of chronic fatigue syndrome. J Clin Psychiatry, 52: 10, 1991, 403-410.

2. Jones JF.

Serologic and immunologic response in chronic fatigue syndrome with emphasis of the Epstein-Barr Virus. RID, 13: Suppl. 1, 1991, S26-S31.

3.  Klimas NG et al.

Immunologic abnormalities in chronic fatigue syndrome. J Clin Microbiology, 28: 1990, 1403-1410.

4. Mowbray JF & Yousef GE.

Immunology of postviral syndrome. British Medical Bulletin, 47: 4, 1991, 886-894.

5. Tirelli U et al.

Clinical and immunological study of 205 patients with chronic fatigue syndrome; a case series from Italy. Arch Intern Med, 153: 1993, 116-120.

6. Behan PO et al.

The postviral fatigue syndrome – an analysis of the findings in 50 cases. Journall of Infection, 10: 1985, 211-222.

7.  Renfro L et al.

Yeast connection among 100 patients with chronic fatigue. American Journal of Medicine, 86: 1989, 165-168.

8. Reilly PA et al.

Fibromyalgia and chronic fatigue syndrome. Current science 2: 1990, 282-290.

 

Comments are closed.