Die Krise der Philosophie vor der Entdeckung des Universalgesetzes

Aus dem Buch “Gnostische Tradition der abendländischen Philosophie

– Teil 1 –

Georgi Stankov

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Die uns bekannte Geschichte der Menschheit stellt eine endlose Kette geistiger Verirrungen dar. Diese Feststellung gilt gleichermaßen für philosophische wie für triviale Ideen; von den Verirrungen in der Wissenschaft erst recht nicht zu reden (siehe Tetralogie). Ihre Realisierung in Form von Lehrprogrammen, Rechtsnormen, sozialen und staatlichen Strukturen, ethischen Empfehlungen und so weiter durchdringt die materielle Geschichte und schafft Tatsachen, deren bleibender oder vorübergehender Einfluss das Denken und die Persönlichkeitsstruktur unzähliger Generationen geprägt hat und unsere Gegenwart maßgeblich bestimmt.

Ihre bloße Existenz gilt als hinreichender Beweis für die Gültigkeit solcher Ideen, ungeachtet ihrer offenkundigen Vergänglichkeit oder ihres Versagens in der Gegenwart. Während die gängigen Auffassungen und Glaubenssätze zum alltäglichen Leben seit der Antike in einer bemerkenswert konstanten Form fortleben und den Charakter und das Verhalten der Menschen nachhaltig determinieren, haben die abstrakten philosophischen Ideen, die in ihrem Kern ebenfalls eine durchgehende Konstanz aufweisen, in den letzten hundert – zweihundert Jahren stark an Einfluss eingebüßt.

Als Nicolai Hartmann, der letzte umfassende deutsche Denker, im Jahre 1949 seinen Vortrag zur „Erkenntnis im Lichte der Ontologie“ (1) vor der Münchner Kantgesellschaft vortrug, offenbarte er in seiner verdichteten Zusammenschau der Kantschen Erbschaft die erkenntnistheoretische Sackgasse, in der sich die deutsche philosophische Schule seit Kant befand. Die Aussicht auf Erkenntnis philosophisch-transzendenter oder wissenschaftlicher Art, diese Verheißung aller Denker zu allen Zeiten, wurde von Hartmann auf unbestimmte Zeit verschoben.

Seine Vorlesung war der Offenbarungseid der Philosophie. Wen wundert es, dass dieser Vortrag den Beginn einer philosophiearmen Periode einläutete, die in der Geschichte der Menschheit ihresgleichen sucht?

Der empirisch orientierte Mensch des beginnenden 20. Jahrhunderts lechzte nach schnellen Ergebnissen und Erfolgen – Industrie und Technik schienen diese Erwartungen voll zu erfüllen – und konnte mit der Unergiebigkeit der abendländischen Philosophie wenig anfangen. Ihr Unvermögen, den Vormarsch der modernen Wissenschaft inhaltlich aufzunehmen und sie mit praktisch überprüfbaren Prinzipien von allgemeiner Gültigkeit zu befruchten, besiegelte den gegenwärtigen Niedergang der Philosophie.

Diese Entwicklung konnten auch diverse Kreuzungen der Philosophie mit der modernen Logik (Neopositivismus), dem wissenschaftlichen Empirismus (Methodologie der Wissenschaften) und der Linguistik (vielen obskuren Theorien wie dem Strukturalismus) nicht retten. Es ist eine elementare, offenkundige Tatsache, dass die moderne wissenschaftliche Theorie – sei es im Bereich der Physik, Chemie, Biologie oder Wirtschaft – gänzlich ohne Philosophie auskommt. Es genügt einen Blick in die unzähligen Lehrbücher und Zeitschriften zu werfen, um sich davon zu überzeugen. Die Philosophen sind zu Zaungästen der Wissenschaft geworden, die lediglich ihre Wunden und Minderwertigkeitskomplexe zu pflegen wissen. Daraus ist manch eine bemerkenswerte Propädeutik entstanden, aber auch nicht mehr. Diese Situation ist einmalig in der Geschichte der Menschheit.

Bis ins 19. Jahrhundert hinein war Philosophie das Flagschiff jeder wissenschaftlichen Erkenntnis. Galilei, der Begründer der modernen Physik, untermauert seine experimentellen Ergebnisse zur Schwerkraft mit aristotelischen und pythagoreischen Argumenten (2) . Keplers leitende Idee seines „Mysterium cosmographicum“ (1595), die zur „Astronomia nova“ (1609, 1. und 2. Gesetz) und zu „Harmonices mundi“ (1619, 3. Gesetz) reift, ist durch und durch platonisch, auch wenn er die göttliche Form der Kugelschale zugunsten der elliptischen Bahn der Planeten verwerfen muss. Als „Priester Gottes am Buch der Natur“ vertritt Kepler mit Eifer die pythagoreisch neoplatonischen Auffassungen des Byzantiners Proklos (412-485), dessen Emanations- und Hypostasenlehre die Grundlage der christlichen Gnosis bildet (3) .

Newton verwirft die Idee von der Gravitation als Fernkraft, die ohne Vermittlung auftreten soll, indem er sich auf Epikur beruft (4) .

Die philosophische Tradition der Antike und des Hellenismus war seit den Anfängen der modernen Wissenschaft in der Renaissance die unablässig treibende geistige Kraft hinter der Suche nach naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, bis das empirische Dogma in der Neuzeit an Dominanz gewann und diese gnostische Tradition systematisch unterdrückte. Wissenschaftliche Erkenntnis war somit für lange Zeit gnostische Erkenntnis, auch wenn die empirisch gewonnenen Kenntnisse unvermeidlich zur Modifikation mancher Ideen der klassischen antiken Denker führen mussten. Dies hat dem Glauben der Forscher früherer Zeiten an ein transzendentes, a priori Wissen keinen Abbruch getan.

Dieser Glaube erreichte einen letzten Kulminationspunkt bei Kant, um anschließend von den Neokantianern in die Bedeutungslosigkeit zerredet zu werden. Mit dem Aufstieg des empirischen Dogma in der Neuzeit wurden die Existenz und die ursprüngliche Quelle eines transzendenten Wissens vehement geleugnet – alles Wissen sollte nun ausschließlich aus der Erfahrung kommen (englische Empiristen).

Diese Einengung des Erfahrungsbereichs auf die sinnlich-experimentellen Beobachtungen hatte die Entmündigung der Philosophie als gnostischer Lehre zur Folge. Damit verschwand auch das menschliche Bewusstsein als der Urquell aller wissenschaftlichen Ideen aus dem explorativen Blickfeld der Wissenschaft.

Waren solche Phänomene wie Intuition und Inspiration, die zum transzendenten Wissen führen, noch ein zentrales Anliegen der Denker und Forscher vor der Aufklärung, so wurden sie nun von den „Priestern der reinen Empirie“ – den etablierten Wissenschaftlern des empirischen Dogma – zwangsläufig als „billiger esoterischer Kram“ abgelehnt und aus der Wissenschaft verbannt.

Diese Einstellung übte einen starken Konformitätsdruck auf die Philosophie am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus. Sie sah sich gezwungen, ihre gnostische Tradition zu leugnen und diese unter dem Mantel der Wissenschaftlichkeit durch positivistische Überlegungen aus dem engen menschlichen Erfahrungsbereich zu ersetzen (Comte, Mach, Avenarius, Russell, Whitehead, Wittgenstein, Wiener Kreis usw.).

Man sprach ausgiebig von den Scheinproblemen und der Sinnlosigkeit der Metaphysik, wie beispielsweise W. Dilthey in „Das Wesen der Philosophie“ oder N. Hartmann in „Grundzüge einer Metaphysik der Erkenntnis“, und suchte in ängstlicher Beklemmung vor ihren Abgründen fieberhaft nach einem festen Boden in der Mathematik und der Logik (Poincaré, Boole, Riemann, Hilbert, Russell usw.), bis Gödel diese Illusion den Neopositivisten am Vorabend des 2. Weltkriegs endgültig entzog.

Mit logischen Argumenten bewies er, dass es unmöglich ist, die Daseinsberechtigung und die Gültigkeit der Mathematik, dieser hermeneutischen Disziplin des korrekten Denkens, mit mathematischen Mitteln zu begründen. Die Mathematik kann ihren Existenzbeweis – ihre Gültigkeit in der realen Welt – nicht mit eigenen Mitteln erbringen. Mathematik ist reines Denken und Denken ist Metaphysik, also ist Mathematik zugleich Metaphysik.

Man war wieder an den Anfang gelangt.

Die Grundlagenkrise der Mathematik platzte wie eine Bombe in der geordneten Welt der Neopositivisten, die bereits fest daran glaubten, die Unergründlichkeit der Metaphysik hinter sich gelassen zu haben. Wer allerdings erwartet hätte, dass die Grundlagenkrise der Mathematik den Neopositivisten deutlich machen würde, dass sie sich von nun an in noch tieferen kognitiven Abgründen als denjenigen der Metaphysik befanden, blieb enttäuscht. Wie kleine Kinder zogen sie es vor, ihre Augen vor der Gefahr zu schließen und ihren angstbedingten Agnostizismus hinter kaleidoskopischen Neopositivismen und anderen gedanklichen Spielereien zu kaschieren.

Der Einheitsspiegel der Philosophie zerbrach in Tausend Splitter – aus den Neopositivisten wurden Logiker, Logisten, Linguisten, Methodologisten, Strukturalisten. Dabei streiften die Neopositivisten auf ihrer vergeblichen Suche nach dem Heiligen Gral haarscharf die Wurzel aller Erkenntnis – den Urbegriff der Mathematik und Physik, von dem ich in den 90er Jahren ausging, um die Mathematik von ihrer Grundlagenkrise zu befreien und mit Hilfe des Hilbertschen Formalismus eine Vereinheitlichung der Physik zu erreichen.

Die neue physikalisch-mathematische Axiomatik des Universalgesetzes, die vom Urbegriff ausgeht, ist der „Heilige Gral“ der Philosophie und der Wissenschaft und zugleich die Grenze jeder gnostischen Erkenntnis – sei sie metaphysisch oder positivistisch. Sie ist der „innere Horizont“, von dem der deutsche Philosoph Husserl bereits eine intuitive Vorahnung hatte.

Wiederbelebung der gnostischen Tradition durch die Entdeckung des Universalgesetzes

Warum wurde man nicht früher fündig? War die Lösung zu einfach oder zu radikal? Sie war beides und das machte den Philosophen Angst. Sie hatten es sich abgewöhnt, sich am Limit des menschlichen Denkens aufzuhalten – sie hatten aufgehört Gnostiker, Metaphysiker und transzendente Denker zu sein, nicht weil ihnen die geistigen Kräfte dazu fehlten, sondern weil sie sich an die materialistisch-empirische Welt des 20. Jahrhunderts angepasst hatten und sich nicht mehr lächerlich machen wollten. Der Mut zum Denken hatte sie schlicht und einfach verlassen und das Denken verließ den Tempel der modernen Philosophie.

Damit schließen wir den Kreis, den wir mit Hartmanns Vortrag geöffnet haben, um mit der Neotranszendenz des Universalgesetzes, die in Wirklichkeit die gleiche alte Gnosis ist, die man seit der Antike her kennt, fortzufahren und ihre erkenntnistheoretischen Grenzen mit Hilfe der neuen Axiomatik des Universalgesetzes auszuloten. Auf diese Weise setze ich die Vereinheitlichung des menschlichen Denkens fort, so wie ich es in der Tetralogie für Wissenschaft und Mathematik bereits getan habe.

Die Allgemeine Theorie des Universalgesetzes ist eine Synthese aller Wissenschaften, einschließlich der Philosophie und der Gnosis: Sie bewahrt und verwirft zugleich. Sie bewahrt alle Ideen, die U-Mengen sind und sich zur Bildung einer Axiomatik des Denkens eignen, und verwirft alle Ideen, die N-Mengen sind und sich als Element ausschließen. Alles Weitere ist konkrete Anwendung dieses Denkansatzes, mit dem ich die unübersichtliche Fülle widersprüchlicher Erkenntnisse der Menschheit zu einem allumfassenden, empirisch-verifizierbaren, logisch-axiomatischen, widerspruchsfreien Denksystem des Seins strukturiert, gesiebt und geordnet habe (5) . Dies setzt freilich voraus, dass man sich in diesen Wissenschaften sehr gut auskennt und vor allem von ihren Schwächen Bescheid weiß.

Um Missverständnisse vorzubeugen, muss ich an dieser Stelle klar und ohne falsche Bescheidenheit festhalten, dass die uns bekannte Geschichte der Menschheit eine derartige geistige Leistung bisher nicht kennt. Alle uns bekannten philosophischen, wissenschaftlichen und trivialen Kategorialsysteme seit der Antike bis zum heutigen Tag weisen logische Widersprüche und immanente Schwächen auf und sind nicht in der Lage, ein kongruentes Weltbild des Seins zu entwickeln, das alle bekannten und zukünftigen Fakten widerspruchsfrei erklären und voraussagen kann, wie es die neue Theorie des Universalgesetzes zum ersten Mal leistet.

Die von mir verfasste Tetralogie der Wissenschaften und der Philosophie, sowie meine zusätzlichen Bücher zur Wirtschaftstheorie und Gnosis beweisen auf eine eindeutige und umfangreiche Weise, dass es möglich ist, das gesamte menschliche Denken und Wissen aus einem einzigen Prinzip abzuleiten und einheitlich zu strukturieren. Intime Kenntnisse der neuen Theorie des Universalgesetzes sind daher eine unabdingbare Voraussetzung für das Verständnis dieses Buches. Alles hängt miteinander zusammen. Nur Leser, die meine Werke verstanden und verinnerlicht haben, werden von dieser Schrift profitieren. In meiner anschließenden Diskussion werde ich diese Kenntnisse als bekannt voraussetzen und mich mit bereits erbrachten Beweisen im Bereich der Wissenschaft nicht lange aufhalten, sondern diese lediglich einführen.

Wenn ich mich in diesem Buch mit Fragen der menschlichen Gnosis befasse, so beschleicht mich das leise Gefühl, dass ich eine redundante Arbeit leiste und dass ich das Wesentliche zum Thema bereits gesagt habe. Wer meine Theorie kennt, wird mir sicherlich beipflichten. Andererseits lebt das menschliche Denken von Variationen der ultimativen Wahrheit. Denken und Erkennen sind kein linearer Prozess, sondern eine spiralförmige Bewegung entlang unterschiedlicher Blickwinkel um den inneren Wahrheitskern, der sowohl im Ganzen als auch in jedem Teil des Ganzen innewohnt (U-Mengen).

Die Wahrheit ist stets eine Funktion des individuellen Bewusstseins: In dem Maße es sich erweitert, erweitert sich auch die Wahrheit, daher der Begriff der Metaphysik in der Philosophie. Ungeachtet dessen gibt es einige fundamentale Erkenntnisse wie das Primäraxiom der neuen Axiomatik des Universalgesetzes, die jeder Erweiterung der Wahrheit standhalten. Sie bilden den innersten Kern der Wahrheit, der in alle Ewigkeit unverändert bleibt.

War mein Ansatz in der Wissenschaft axiomatisch mit dem Ziel, die Grundlagen der Physik, Mathematik, Biowissenschaft und Wirtschaftswissenschaft auf der Basis des Universalgesetzes zu vereinheitlichen, so stellte ich mich in der Philosophie vor die Aufgabe zu zeigen, dass alle gnostischen Ideen der abendländischen Philosophie der intuitiven Wahrnehmung des Urbegriffs entspringen, aber mangels einer Axiomatik zum Aufbau von widersprüchlichen und unergiebigen Kategorialsystemen geführt haben.

Hierzu gibt es eine einfache Erklärung: Bis auf wenige Ausnahmen waren alle bedeutenden Philosophen des Abendlandes entweder schlechte Mathematiker oder lebten vor dem eigentlichen Aufbau einer mathematischen Axiomatik, so wie sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts in mehreren einzelnen Schritten vollzogen wurde. Der letzte große europäische Philosoph, der mathematische Kenntnisse besaß und mit seinem bahnbrechenden Werk „Prinzipien der Mathematik“ die Axiomatik der Mathematik maßgeblich vorantrieb, war Bertrand Russell. Er brachte alle Voraussetzungen mit, die von mir vollbrachte Leistung zur Axiomatisierung der Wissenschaft erreichen zu können. Leider scheiterte er, wie viele andere Denker vor und nach ihm, an seinen positivistischen, empirisch-materialistischen Ansatz, der metaphysische Exkurse zur Erweiterung der menschlichen Gnosis ausschloss und sich des Zugangs zu tieferen Wahrheiten beraubte.

Fussnoten:

1. N. Hartmann „Die Erkenntnis im Lichte der Ontologie“, Felix Meiner Verlag, Hamburg, 1982.

2. Siehe Essay über Galilei im Band 2, Kap. 9.9.

3. Siehe Keplers Gesetze im Band 1 & 2.

4. Siehe Diskussion zur Gravitation im Band 1 & 2.

5. Siehe Tetralogie der Wissenschaften, sowie meine Bücher zur Wirtschaft und Gnosis.

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